Die Rolle der Milchsäurebakterien bei der Lebensmittelfermentation

Die einzigartigen Aromen, Texturen und Gesundheitsvorteile von fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Sauerkraut und Sauerteigbrot kommen von einer Gemeinschaft von Mikroorganismen, die gewöhnliche Zutaten in etwas Besonderes verwandeln. Zu den zentralen Akteuren in diesem Prozess zählen die Milchsäurebakterien. Doch was genau sind Milchsäurebakterien und wie wirken sie eigentlich?

Was sind Milchsäurebakterien?

Milchsäure ist eine Substanz, die im Zuge der Fermentation von einer Gruppe von Bakterien, den sogenanntenMilchsäurebakterien (LAB) gebildet wird. Diese Bakterien bauen Zucker in Lebensmitteln ab, wie zum Beispiel Laktose (die in Milchprodukten vorkommt) und Fruktose (die in Früchten und einigen Gemüsesorten enthalten ist), und produzieren dabei Milchsäure ¹. Es gibt viele verschiedene Stämme und Arten von LAB, die natürlich in Pflanzen, Lebensmitteln und sogar im Verdauungssystem von Mensch und Tier vorkommen ².

LAB gehören zu den am meisten untersuchten Mikroorganismen². Sie sind die häufigsten Mikroorganismen, die an der Lebensmittelfermentation beteiligt sind, und werden seit Tausenden von Jahren genutzt, um fermentierte Lebensmittel in einem Prozess herzustellen, der als Lacto-Fermentation bekannt ist ³. Der Begriff „laktisch“ stammt von dem lateinischen Wort für Milch („lactis“), weil Milchsäure ursprünglich in saurer Milch entdeckt wurde. Lacto-Fermentation ist jedoch nicht nur aufMilchprodukte beschränkt, sondern kommt auch in anderen Matrizes vor. Sie findet beispielsweise bei der Herrstellungvon Essiggurken, Sauerkraut, Kimchi, Sauerteigbroten und sogar einigen gepökelten Fleischsorten Anwendung. Der Teil „lacto“ bezieht sich dabei auf die produzierte Milchsäure, die den Lebensmitteln einen leicht sauren Geschmack verleiht und als natürlicher Konservierungsstoff wirkt¹.

Mehrere Arten von LAB werden von den Lebensmittel-Sicherheitsbehörden weltweit als sicher anerkannt. Sie gelten als nützliche Bakterien, die die Lebensmittelsicherheit und -qualität verbessern und seit Jahrhunderten Teil traditioneller Diäten sind ⁴.

Sind Milchsäurebakterien aerob oder anaerob?

LAB können sowohl in sauerstoffreichen (aeroben) als auch in sauerstoffarmen (anaeroben) Umgebungen überleben. Ihr Stoffwechsel verlagert sich jedoch nur bei begrenzten Sauerstoffbedingungen in Richtung Fermentation⁵.

Welche Anwendungen haben Milchsäurebakterien?

LAB spielen eine wichtige Rolle bei der Fermentation vieler Lebensmittel. Der Prozess der Lacto-Fermentation verwandelt gewöhnliche Zutaten wie Milch, Weizen, Gemüse und Fleisch in markant saure oder scharfe Lebensmittel wie Joghurt, Sauerteigbrot, Kimchi und Saucisson. LAB können natürlich in Lebensmitteln vorkommen (unter den richtigen Bedingungen), oder spezielle Stämme, sogenannte "Starterkulturen", können hinzugefügt werden, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen ⁶.

So verbessern LAB Lebensmittel:

• Konservierung: LAB senken den pH-Wert von Lebensmitteln, wodurch ein saureres Umfeld geschaffen wird, das das Wachstum schädlicher Bakterien hemmt. Diese natürliche Konservierungsmethode hält Lebensmittel länger frisch und verlängert ihre Haltbarkeit⁵.
• Geschmack und Textur: LAB verleihen fermentierten Lebensmitteln ihre charakteristischen sauren Aromen, wie zum Beispiel in Kimchi oder Sauerteigbrot, oder glatte und cremige Texturen, wie in Joghurt. Das liegt daran, dass sie Exopolysaccharide produzieren, die die Dicke des Endprodukts erhöhen.
• Sicherheit: Einige LAB-Arten produzieren antimikrobielle Verbindungen, die das Wachstum schädlicher Krankheitserreger (Mikroorganismen, die ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen können) verhindern.
  

Über die Lebensmittel hinaus finden LAB auch Anwendung in der Landwirtschaft, der Medizin, der Kosmetik und in der Herstellung von umweltfreundlichen Alternativen zu Kunststoffen.^1,7

Welche Lebensmittel enthalten Milchsäure/Milchsäurebakterien?

Milchsäure wird bei der Produktion verschiedener fermentierter Lebensmittel erzeugt, darunter ⁸:

• Fermentierte Milchprodukte: Joghurt, Käse, Butter, Buttermilch, Kefir und Kumis.
• Fermentierte Gemüse & Früchte: Feste Gemüse wie Kohl, Gurke, Radieschen und saftige Früchte wie Mango, Beeren, Aprikosen oder Pflaumen werden oft mit Lacto-Fermentation fermentiert (alles, was man braucht, ist Salz, saubere Gläser und etwas Zeit!).
• Fermentierte Getreide & Körner: Injera (äthiopischer Pfannkuchen), Sauerteigbrot, Miso-Paste (mit Gerste) und traditionelle Rezepte wie Dhokla (Reiskuchen aus Indien).
• Fermentierte Getränke: Kombucha und traditionelle Getränke wie Boza, Pito oder Merrisa.
• Gepökelte Fleischwaren: Bestimmte Wurstsorten (wie Salami) und gepökelter Fisch.

Die genaue Menge an LAB, die durch spezifische fermentierte Lebensmittel aufgenommen wird, variiert stark, aufgrund von Unterschieden in der Herkunft, dem Herstellungsprozess, den Lagerbedingungen und anderen Faktoren. Aus diesem Grund ist noch nicht vollständig bekannt, wie LAB genau in unserem Darm interagieren. Die Verarbeitung hat ebenfalls Einfluss darauf, ob lebende LAB direkt aufgenommen werden oder nicht. So enthalten beispielsweise fermentierte Backwaren wie Sauerteigbrot, das gebacken wird, oder pasteurisierte fermentierte Gemüse keine „lebenden Mikroben“ mehr. Unabhängig davon können fermentierte Lebensmittel, die keine lebenden Mikroben enthalten, dennoch andere gesundheitliche Vorteile bieten. Mikroben können nützliche Verbindungen produzieren, die dann von den Verbrauchern aufgenommen werden (wie Vitamine), zudem können sie auch antinutritive Faktoren entfernen und die Verdaulichkeit verbessern².

Sind Milchsäurebakterien Probiotika?

Ja, viele LAB werden als Probiotika eingestuft, aber nicht alle. Probiotika sind lebende Organismen, die, wenn sie in ausreichenden Mengen konsumiert werden, gesundheitliche Vorteile bieten können. Probiotika können helfen, das Mikrobiom im Darm auszugleichen, die Verdauung zu verbessern und das Immunsystem zu unterstützen.

Einige LAB-Stämme erfüllen die Kriterien, um als Probiotika betrachtet zu werden. Zum Beispiel ⁹:

Lactobacillus-Arten: wie L. acidophilus, das in fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt, Kefir, Miso, Tempeh und Sauerkraut vorkommt.
Bifidobacterium-Arten: wie B. bifidum, ebenfalls in fermentierten Lebensmitteln enthalten.
Streptococcus thermophilus: in Lebensmitteln wie Milch, Käse und anderen Milchprodukten enthalten.

Allerdings können nicht alle LAB als Probiotika eingestuft werden, da sie bestimmte Kriterien erfüllen müssen. Zum Beispiel müssen sie in der Lage sein, im sauren Milieu unseres Magens zu überleben, sich an unsere Darmzellen zu heften und messbare gesundheitliche Vorteile zu bieten. Deshalb muss jeder Stamm einzeln bewertet werden, um seine probiotischen Eigenschaften zu bestimmen.

Welche gesundheitlichen Vorteile haben Milchsäurebakterien?

Je nach Lebensmittel, Produktionstechnik und Fermentationsprozess können fermentierte Lebensmittel mehrere LAB-Arten und -Stämme enthalten, die positiv mit dem Mikrobiom im Darm interagieren1. Wissenschaftler haben mehrere Zusammenhänge zwischen LAB und positiven Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit festgestellt, wie zum Beispiel¹-⁴:

• Gesundheit des Darms: LAB können Vitamine, kurzkettige Fettsäuren und Bakteriocine produzieren; sie können das Wachstum schädlicher Bakterien verhindern und helfen, nützliche Darmbakterien im Gleichgewicht zu halten.
• Verbesserte Verdauung und Nährstoffaufnahme: LAB können die Verdauung und Nährstoffaufnahme verbessern, insbesondere von Proteinen.
• Reduktion von Allergien: LAB können die allergenen Eigenschaften einiger Lebensmittel, wie Milchprodukte oder Weizen, reduzieren, indem sie bestimmte Proteine abbauen, die allergische Reaktionen verursachen.
• Antioxidative Eigenschaften: Einige LAB-Stämme produzieren antioxidative Verbindungen, die helfen, schädliche freie Radikale zu bekämpfen.
• Stressabbau: Bestimmte LAB-Stämme produzieren eine Verbindung namens GABA, die als Neurotransmitter wirkt und den Blutdruck senken, Muskeln entspannen und psychologischen Stress reduzieren kann.

Fazit

LAB spielen eine Schlüsselrolle bei der Lebensmittelkonservierung und der Entwicklung von Aromen und sind seit Tausenden von Jahren ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Lebensmittelproduktion. Sie sind nicht nur von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, sondern tragen auch eine wichtige Rolle zur Förderung und Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit bei. LAB sind ausgezeichnete Vertreter der oft missverstandenen mikrobiellen Welt, in der sie für ihre positiven Auswirkungen auf diemenschliche Gesundheit und ihre Bedeutung in der Küche anerkannt und geschätzt werden.

Projekthiglight: Um besser zu verstehen, wie Mikroben mit unserer Gesundheit interagieren, untersucht das EU-geförderte DOMINO -Projekt, wie fermentierte Lebensmittel, wie die durch Lacto-Fermentation entstandenen, das Mikrobiom im Darm beeinflussen und gesundheitliche Vorteile bieten könnten. Das Projekt wird sowohl fermentierte Milchprodukte als auch pflanzliche fermentierte Lebensmittel erforschen, wie diese das Mikrobiom im Darm beeinflussen und zur Förderung der menschlichen Gesundheit beitragen - insbesondere bei Personen mit Stoffwechselerkrankungen.

Verweise

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2. De Filippis F, Pasolli E, Ercolini D. (2020). The food-gut axis: lactic acid bacteria and their link to food, the gut microbiome and human health. FEMS Microbiology Reviews 44(4):454-489.
3. Mathur H, Beresford TP, Cotter PD. (2020). Health Benefits of Lactic Acid Bacteria (LAB) Fermentates. Nutrients 12(6):1679.
4. Pasolli E et al. (2020). Large-scale genome-wide analysis links lactic acid bacteria from food with the gut microbiome. Nature Communications 11:2610.
5. Liu JM, Fehér C, Cao M, Lu F, Jensen PR. (2021). Editorial: Lactic Acid Bacteria: Microbial Metabolism and Expanding Applications. Frontiers in Bioengineering and Biotechnology 9:794164.
6. Razola-Díaz MDC et al. (2024). Fermentation of Orange Peels by Lactic Acid Bacteria: Impact on Phenolic Composition and Antioxidant Activity. Foods 13(8):1212.
7. Abedi E, Hashemi SMB. (2020). Lactic acid production - producing microorganisms and substrates sources-state of art. Heliyon 6(10):e04974.
8. Petrova P, Petrov K. (2020). Lactic Acid Fermentation of Cereals and Pseudocereals: Ancient Nutritional Biotechnologies with Modern Applications. Nutrients 12(4):1118.
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