Die Entwicklung der Lebensmittelproduktion zur Deckung des Nährstoffbedarfs durch Verarbeitung und Kennzeichnung | Eufic

Die Entwicklung der Lebensmittelproduktion zur Deckung des Nährstoffbedarfs durch Verarbeitung und Kennzeichnung

Zuletzt aktualisiert : 08 December 2014
Inhaltsverzeichnis

    Die europäischen Verbraucher erwarten nahrhafte, sichere, nachhaltig umweltverträgliche und erschwingliche Lebensmittelprodukte. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Lebensmittelverarbeitung, über dessen Entwicklung und über die Verbrauchertrends und wie die Lebensmittelindustrie daran arbeitet, die Bedürfnisse und Wünsche der europäischen Verbraucher im Bereich Ernährung zu erfüllen.

    Von Rohstoffen zu Lebensmitteln 

    Während einige Nahrungsmittel auch roh verzehrt werden können (wie z.B. die meisten Früchte und einige Gemüsesorten), müssen die meisten Lebensmittel auf irgendeine Weise verarbeitet werden, um Sicherheit und Verdaulichkeit zu gewährleisten und um Farbe, Geschmack und Textur so zu verbessern, dass sie die Erwartungen der Verbraucher erfüllen. Die einfachste Definition von Lebensmittelverarbeitung ist folgende: “Eine Reihe von Verarbeitungsvorgängen durch die rohe Nahrungsmittel erst für den Verzehr, fürs Kochen und für die Lagerung geeignet gemacht werden”. Man könnte also sagen, dass Waschen, Schälen, Schneiden, Entsaften und das Entfernen nicht essbarer Teile Formen der Nahrungsmittelverarbeitung sind. In der Gesetzgebung wird "Nahrungsmittelverarbeitung" folgendermaßen definiert: Aktionen, die das Ausgangsprodukt wesentlich verändern, durch Erhitzen, Räuchern, Pökeln, Reifen, Trocknen, Marinieren, Extrahieren, Extrudieren.

    Wie wirkt sich die Lebensmittelverarbeitung auf den Nährstoffgehalt aus?

    Einfache Verarbeitungsformen wie z.B. Waschen, Schneiden und Verpacken von frischem Gemüse haben nur geringfügige Auswirkungen auf den Nährwert. Erhitzen und Kochen können dagegen den Vitamingehalt je nach Erhitzungsdauer und Temperatur reduzieren (dies gilt insbesondere für wasserlösliche Vitamine wie z.B. Vitamin C. Beim Kochen geschälter Kartoffeln gehen bis zu 40% des enthaltenen Vitamin C verloren2). Wenn Gemüse einige Minuten lang blanchiert oder gDie Geschichte der Nahrungsmittelverarbeitung ekocht und dann eingefroren, getrocknet oder in Konservendosen verpackt wird, bleiben Vitamine und Mineralien gut erhalten. Im Vergleich zu Vollkornprodukten enthalten raffinierte Getreideprodukte wie z.B. Teigwaren, Reis oder Brot einen geringeren Anteil an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien, falls diese dem Produkt nach dem Mahlen (durch einen Anreicherungsprozess) nicht wieder hinzugefügt werden. In anderen Fällen kann die Verarbeitung auch Nährstoffe freisetzen und dadurch diese Nährstoffe besser für die Aufnahme durch den Körper verfügbar machen. Das in Maiskörnern enthaltene Niazin (Vitamin B3) ist z.B. ernährungsphysiologisch nicht verfügbar, wenn der Mais nicht vorher in Kalkwasser (einer basischen, wässrigen, fast gesättigten Kalziumhydroxidlösung) eingelegt und gekocht wird. 

    Die Geschichte der Nahrungsmittelverarbeitung 

    Die Geschichte der Lebensmittelverarbeitung geht zurück bis in prähistorische Zeiten. Seit mindestens 250.000 Jahren nutzen die Menschen das Feuer.Kochen ist eine Form der Nahrungsmittelverarbeitung, welche die Schmackhaftigkeit, Verdaulichkeit und Sicherheit der Nahrung verbessert. In der Antike und im Mittelalter entwickelten sich dann komplexere Nahrungsmittelverarbeitungsformen wie z.B. das Backen von Brot, die Herstellung von Käse, Wein, an der Sonne getrocknetem oder in Essig eingelegtem Gemüse und gesalzenem oder geräuchertem Fleisch. Immer dann, wenn aufgrund von saisonalen Veränderungen, Ernteausfällen oder Krieg keine frischen Nahrungsmittel verfügbar waren oder wenn die Nahrungsmittelversorgung durch Landwirtschaft und Viehzucht nicht gewährleistet werden konnte, wurden verarbeitete Nahrungsmittel zu einem wesentlichen Bestandteil der menschlichen Ernährung. Auch marschierende Armeen und Seeleute auf langen Seereisen waren zum Großteil auf verarbeitete Nahrungsmittel angewiesen. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde im Rahmen der industriellen Revolution mit der Massenproduktion von Nahrungsmitteln (der Herstellung von Lebensmitteln in großen Mengen) und der Herstellung von Lebensmittelkonserven und pasteurisierten Nahrungsmitteln begonnen. Aufgrund von Armut, wirtschaftlicher Depression und zwei katastrophalen Weltkriegen kam es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa zu einer massiven Unterernährung der Bevölkerung.4,5 Deshalb zielte die Massenproduktion von Nahrungsmitteln darauf ab, die europäische Bevölkerung mit einer ausreichenden Menge an allen verfügbaren Nahrungsmitteln zu versorgen und lebensmittelbedingte Krankheiten, Unterernährung und Nährstoffmängel durch proteinhaltige, energieliefernde und mit Vitaminen angereicherte Lebensmittel zu reduzieren. 

    Modernes Zeitalter 

    Die Massenproduktion von Nahrungsmitteln und die Nahrungsmittelverarbeitung erfüllen immer noch wichtige Funktionen. Ohne sie müssten sich die Verbraucher auf die lokalen Erzeugnisse beschränken und für einen Großteil der im städtischen Umfeld lebenden Bevölkerung würde das bedeuten, dass die Verfügbarkeit von und der Zugang zu Nahrungsmitteln wesentlich beschränkter wäre.6 Ein größeres und vielfältigeres Angebot an Nahrungsmitteln ermöglicht den Menschen, eine vielseitigere Ernährung, die mit größerer Wahrscheinlichkeit alle für eine gute Gesundheit notwendigen Nährstoffe enthält.

    Qualität, Preis, Aussehen, Geschmack, Gesundheit, Familienvorlieben, Gewohnheiten, Sicherheit, Herstellungsmethoden, Herkunftsland, Markenname, Verfügbarkeit und die Vermeidung von Nahrungsmittelallergien sind Faktoren, die die Wahl der Nahrungsmittel beeinflussen.8 Unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich aufgrund von Bequemlichkeit und Zeitdruck verändert. Heute werden mehr Nahrungsmittel außer Haus konsumiert (10-30% des täglichen Energiebedarfs).9-11 Außerdem wird die Wahl der Nahrungsmittel auch von neuen Trends, wie z.B. nachhaltige Umweltverträglichkeit, biologischen Anbau und Fairtrade beeinflusst. In den vergangenen Jahrzehnten sind die Verbraucher gesundheitsbewusster geworden und sind stärker daran interessiert, ihre Gesundheit durch ihre Ernährung zu erhalten oder zu verbessern. 

    Fettleibigkeit wird von der Weltgesundheitsorganisation als eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angesehen.12 Laut aktueller Zahlen leiden weltweit 36,9% der Männer und 38,0% der Frauen an Übergewicht oder Fettleibigkeit.13 Auf dem europäischen Kontinent leben im Durchschnitt 59,5 % der erwachsenen Männer und 51,9% der erwachsenen Frauen mit Übergewicht und Fettleibigkeit.13Die Bevölkerung in der EU altert auch zunehmend und es wird erwartet, dass die ältere Bevölkerung in Zukunft zu einer noch wichtigeren Verbrauchergruppe werden wird.14 

    Produktentwicklung und Lebensmittelkennzeichnung 

    Die Europäische Kommission hat 2005 die Europäische Aktionsplattform für Ernährung, körperliche Bewegung und Gesundheit eingerichtet. Diese Plattform vereint Gesetzgeber, Industrie und gemeinnützige Organisationen, um Ernährung und Gesundheit der europäischen Bevölkerung zu verbessern. Die Mitglieder der Plattform verpflichten sich durch freiwillige Maßnahmen zur Förderung eines gesünderen Lebensstils. Verschiedene Selbstverpflichtungen sind von Mitgliedern der Plattform eingegangen worden, sie betrafen die Portionsgrößen, Kennzeichnungsinformationen, Gesundheitsförderung und Erziehung. Bedeutende Fortschritte konnten bei der Reformulierung von Produkten (d.h. der Veränderung des Nährstoffgehalts existierender Produkte) erzielt werden, z.B. um, wo technisch möglich, den Energiegehalt oder den Fett-Zucker- oder Salzgehalt zu reduzieren. Zum Beispiel führten vier dieser Selbstverpflichtungen, die quantifizierte und vergleichbare Daten über die Salzreduzierung lieferten, zu der Angabe, dass im Jahr 2011 der Salzgehalt um 733,4 Tonnen reduziert wurde.15 Die Reformulierung von Produkten ist aber keine einfache Aufgabe, denn das Entfernen oder die Verringerung einer Zutat wie Zucker oder Salz kann den Geschmack, die Textur, das Aussehen und sogar die Sicherheit eines Lebensmittels drastisch verändern. Aus diesem Grund müssen die Verarbeitungsmethoden der Lebensmittel so angepasst werden, dass das reformulierte Produkt die Erwartungen der Verbraucher trotzdem noch erfüllt. 

    Andererseits können den Produkten auch Zutaten hinzugefügt werden, um ihren Nährwert zu verbessern, indem sie z.B. mit Vitaminen und Mineralien angereichert werden. Die so genannten "functional foods" sind Lebensmittel, die, wenn sie im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung konsumiert werden, über den traditionellen Nährwert hinaus potenzielle gesundheitsfördernde Eigenschaften aufweisen (z.B. Margarine, die mit Sterolen und Stanolester angereichert wird). Die Lebensmittelindustrie führt intern und in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Universitäten kontinuierlich innovative Forschungen durch, um die Lebensmittelverarbeitungstechniken zu verbessern und um die Vorlieben der Verbraucher besser zu verstehen. 

    Die Nährwertkennzeichnung von Nahrungsmitteln ist ebenfalls eine Möglichkeit, um die Verbraucher dabei zu unterstützen, bewusste und informierte Entscheidungen bezüglich ihrer Ernährung zu treffen. Die neue Verordnung der Europäischen Kommission betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (sog. Lebensmittelinformationsverordnung, LMIV) verpflichtet Hersteller von vorverpackten Lebensmitteln zur Nahrungsmittelkennzeichnung (dies gilt ab Ende 2016 für alle Produkte).16Die Gesetzesvorschrift verlangt die Angabe der Nährstoffgehalts (pro 100 g oder 100 ml) und die Angabe der Energiegehalts und des Gehalts der Makronährstoffe, wie Kohlenhydrate, Fette (und gesättigte Fettsäuren), Proteine und Salz. Allergene müssen ebenfalls angegeben werden.16Außerdem können zusätzliche Informationen über einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Polyole, Stärke, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralien angegeben werden, wenn diese in signifikanten Mengen enthalten sind. Die Informationen können auch pro Nahrungsmittelportion angegeben werden. Die Lebensmittelindustrie stellt auch freiwillig Ernährungsinformationen zur Verfügung, und zwar den Prozentsatz der Referenzzufuhr eines Nährstoffs für einen durchschnittlichen Erwachsenen (allgemein bekannt als Guideline Daily Amounts, GDAs). In einigen Mitgliedstaaten können zusätzliche Informationen auf freiwilliger Basis auf der Vorderseite der Verpackung angebracht werden, wie z.B. die Verkehrsampel-GDA-Angaben im Vereinigten Königreich, das Schlüsselloch-Symbol in den nordischen Ländern und das Choices-Logo in den Niederlanden. Inwieweit die Verbraucher die Informationen über den Nährstoffgehalt auf den Lebensmitteletiketten verstehen und nutzen, wurde im Rahmen des FLABEL-Projektes untersucht. Es zeigte sich, dass fehlende Motivation und Aufmerksamkeit vonseiten der Verbraucher zu einer begrenzten Nutzung der auf den Lebensmitteln angegebenen Nährwertinformationen führen. Durch eine konsequente Angabe der Nährwertinformationen auf der Vorderseite der Verpackung, eventuell in Verbindung mit einem Symbol, könnte hier eine Verbesserung erzielt werden.17

    Fortsetzung folgt...

    In diesem Artikel haben wir erklärt, wie sich die Lebensmittelverarbeitung im Laufe der Geschichte entwickelt hat und wie sich die Veränderungen der gesellschaftlichen Bedürfnisse und die Erwartungen der Verbraucher darin widerspiegeln. Wir haben auch einige der Politiken aufgezeigt, die darauf abzielen, die Qualität der Ernährung der Verbraucher zu verbessern. Zwei weitere Food Today-Artikel werden den Bemühungen zur Bereitstellung sicherer Nahrungsmittel (Lebensmittelproduktion 2) und nachhaltig umweltverträglichen Lebensmitteln (Lebensmittelproduktion 3) gewidmet sein. 

    References

    1. Regulation (EC) No 852/2004 of the European Parliament and of the Council of 29 April 2004 on the hygiene of foodstuffs
    2. Food and Agriculture Organization of the United Nations (1990). Roots, tubers, plantains and bananas in human nutrition. Section 6. Effect of processing on nutritional value. Rome: FAO.
    3. Carmody RN & Wrangham RW (2009). Cooking and the human commitment to a high-quality diet. Cold spring harbor symposia on quantitative biology 74: 427-434.
    4. Welch RW & Mitchell PC (2000). Food Processing: A century of change. British Medical Bulletin 56: 1-17.
    5. Zweiniger-Bargielowska I & Duffett R & Drouard A (eds.) (2011). Food and War in 20th Century Europe. England: Ashgate Publishing Limited.
    6. European Environmental Agency (2006). Urban sprawl in Europe
    7. Foster R & Lunn J (2007). 40th Anniversary Briefing Paper: Food availability and our changing diet. British Nutrition Foundation Nutrition Bulletin 32:187–249.
    8. European Commission, Special Eurobarometer (2006). Risk Issues
    9. Orfanos P, et al. (2009). Eating out of home: energy, macro- and micronutrient intakes in 10 European countries. The European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. European Journal of Clinical Nutrition 63:S239-S262
    10. Rosenheck R (2008). Fast food consumption and increased caloric intake: a systematic review of a trajectory towards weight gain and obesity risk. Obesity Reviews 9:537-547.
    11. Orfanos P, et al. (2007) Eating out of home and its correlates in 10 European Countries. The European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) study. Public Health Nutrition 12:1515-1525.
    12. World Health Organization website, Obesity section
    13. Ng M, et al. (2014)Global, regional and national prevalence of overweight and obesity in children and adults during 1980-2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. Lancet early online publication doi:10.1016/S0140-6736(14)60460-8.
    14. European Commission (2012). The 2012 ageing report
    15. Griffiths J, Vladu C & George E (2013). Monitoring the EU platform on diet, physical activity and health. Special report on the EU platform on diet, physical activity and health (reference period 2006-2012).
    16. Regulation (EU) No 1169/2011 of the European Parliament and of the Council on the provision of food information to consumers
    17. EU project FLABEL (Food Labelling to Advance Better Education for Life). A pan-European project which has explored the impact of food labelling among consumers in Europe. Final leaflet with the main project results.