Nimmt man durch Kohlenhydrate zu?

Zuletzt aktualisiert : 03 July 2024
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    Kurze Antwort: Kohlenhydrate sind nicht der Hauptgrund fürAdipositas. Gewichtszunahme resultiert aus einem Ungleichgewicht bei den Gesamtkalorien. Kohlenhydratarme Diäten können zu Nährstoffmangel führen.

    Kohlenhydrate sind Zucker, Stärken und Ballaststoffe, die in unseren täglich verzehrten Lebensmitteln enthalten sind, zum Beispiel in Obst, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchten, Wurzelfrüchten, Milchprodukten und Süßstoffen. Unser Körper spaltet Kohlenhydrate in einfache Zucker (Glukose und Galaktose), die dann in den Blutkreislauf aufgenommen und als primäre Energiequelle für unser Gehirn, unsere Muskeln sowie alle anderen Zellen verwendet werden. Alternativ können sie als Glykogen in der Leber und den Muskeln für die zukünftige Verwendung gespeichert werden. Kohlenhydrate liefern 4 kcal pro 1 g Nahrung (wie Proteine).

    Zu einer Gewichtszunahme kommt es, wenn mehr Kalorien aufgenommen werden, als der Körper verbraucht. Werden mehr Kalorien verzehrt, als der Körper benötigt, führt das im Laufe der Zeit zur Fettspeicherung und Gewichtszunahme, unabhängig von der Nährstoffquelle. Es wird jedoch immer wieder behauptet, dass Kohlenhydrate besonders schlecht für uns sind. Dabei wird argumentiert, dass eine Ernährung mit hoher glykämischer Belastung (also eine Ernährungsweise, bei der viele Lebensmittel mit einem hohen Kohlenhydratanteil und einem hohen glykämischen Index verzehrt werden ) der Hauptgrund für die zunehmende Prävalenz von Adipositas ist. Solchen Argumentationen zufolge führt eine Ernährung mit hoher glykämischer Belastung zu einer übermäßigen Insulinsekretion, einer Ansammlung von Körperfett und verstärktem Appetit. Dadurch wird letztlich mehr Energie aufgenommen als bei Ernährungsweisen mit niedriger glykämischer Belastung. Allerdings wird dieses Modell durch zahlreiche Studien widerlegt. Diese zeigen, dass die Fettspeicherung auch ohne Zufuhr von Kohlenhydraten erfolgen kann und die Insulinsekretion durch verschiedene andere Faktoren beeinflusst wird. Darüber hinaus haben Interventionen gezeigt, dass eine Ernährung mit niedriger glykämischer Belastung im Vergleich zu einer Ernährung mit hoher glykämischer Belastung nicht zwangsläufig zu einem signifikant größeren Gewichtsverlust führt.1

    Führende internationale Organisationen wie die FAO/WHO und der Wissenschaftliche Beirat für Ernährung des Vereinigten Königreichs bestätigen, dass kohlenhydratreiche Ernährungsweisen das Risiko für Adipositas nicht erhöhen.2,3 Umfangreiche Studien deuten darauf hin, dass kohlenhydratarme und sehr kohlenhydratarme Ernährungsweisen anderen Ernährungsansätzen zur Gewichtsabnahme nicht überlegen sind.4,6

    Allerdings ist entscheidend, welche Art von Kohlenhydraten wir zu uns nehmen. Bei der Untersuchung bestimmter Kohlenhydratgruppen wie freien Zuckern und Ballaststoffen sehen wir, dass sie unterschiedliche Auswirkungen auf das Körpergewicht haben.4,7,14 Obwohl keine ausreichenden Beweise für den Zusammenhang zwischen der Aufnahme von zugesetzten und freien Zuckern und dem Körpergewicht vorliegen, wurde ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Erfrischungsgetränken und einem erhöhten Körpergewicht bei Kindern und Jugendlichen festgestellt. Ballaststoffe hingegen spielen eine wichtige Rolle für das Sättigungsgefühl, und verhindern so, dass man zu viel isst. Dadurch kann man ein gesundes Körpergewicht halten kann.

    Warum also nehmen manche Menschen ab, wenn sie die Aufnahme von Kohlenhydraten reduzieren? Das liegt daran, dass sie dadurch auch Wasser verlieren.5 Die Reduktion von Kohlenhydraten führt unter anderem dazu, dass die Glykogenspeicher geleert werden. Jedes Gramm Glykogen wird mit ca. 3 Gramm Wasser eingelagert. Das Glykogen wird zusammen mit dem gebundenen Wasser über den Urin ausgeschieden, was zu einer Gewichtsabnahme führt. Das ist jedoch etwas völlig anderesals Fettabbau. Nach ein paar Wochen stagniert der Gewichtsverlust. Und:⁠ Wird die Ernährungsumstellung wieder rückgängig gemacht, kehrt sich der Effekt um. Menschen mit einer kohlenhydratarmen Ernährung nehmen oft ungewollt weniger Kalorien zu sich oder machen andere gesunde Lebensstiländerungen, die ebenfalls zur Gewichtsabnahme beitragen

    Fazit

    • Mit der Nahrung aufgenommene Kohlenhydrate sind nicht die Hauptursache für Adipositas. Gewichtszunahme resultiert aus einem Ungleichgewicht bei den Gesamtkalorien, alsowenn man über einen längeren Zeitpunkt mehr Kalorien zu sich nimmt, als man verbrennt.
    • Es wird zwar argumentiert, dass kohlenhydratarme Diäten die Gewichtsabnahme unterstützen können, indem sie die Insulinsekretion und den Appetit reduzieren, aber es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, die das belegen.
    • Die Aufnahme von Kohlenhydraten zu reduzieren, kann zu Nährstoffmangel, Gesundheitsrisiken und einem negativen Verhältnis zum Thema Essen führen.5
    • Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt, dass Erwachsene etwa 45 % bis 60 % ihrer täglichen Kalorien aus Kohlenhydraten beziehen sollten, von denen so wenig wie möglich aus zugesetztem und freien Zuckern kommen sollte. Außerdem solltest du mindestens 25 Gramm Ballaststoffe zu dir nehmen, um das Risiko nicht übertragbarer Krankheiten zu verringern und dein Gewicht zu managen.
    • Zur Gewichtskontrolle wählst du am besten nährstoffreiche Lebensmittel, trinkst viel Wasser oder ungesüßte Getränke und nimmst nur wenige Lebensmittel und Getränke mit hohem Fett-, Zucker- und Salzgehalt zu dir – ein Blick auf die Nährwertangaben hilft dir dabei.

    Verweise

    1. Hall, K. D., Farooqi, I. S., Friedman, J. M., Klein, S., Loos, R. J., Mangelsdorf, D. J., ... & Tobias, D. K. (2022). The energy balance model of obesity: beyond calories in, calories out. The American Journal of Clinical Nutrition, 115(5), 1243-1254.
    2. Scientific Advisory Committee on Nutrition (2015). Carbohydrates and health. London, United Kingdom: Public Health England.
    3. Scientific Advisory Committee on Nutrition (2015). Carbohydrates and health. London, United Kingdom: Public Health England.
    4. WHO/FAO (2013). Joint FAO/WHO scientific update on carbohydrates in human nutrition. European Journal of Clinical Nutrition 61(S1):1-137.
    5. Kirkpatrick, C. F., Bolick, J. P., Kris-Etherton, P. M., Sikand, G., Aspry, K. E., Soffer, D. E., ... & Maki, K. C. (2019). Review of current evidence and clinical recommendations on the effects of low-carbohydrate and very-low-carbohydrate (including k
    6. Naude, C. E., Brand, A., Schoonees, A., Nguyen, K. A., Chaplin, M., & Volmink, J. (2022). Low‐carbohydrate versus balanced‐carbohydrate diets for reducing weight and cardiovascular risk. Cochrane Database of Systematic Reviews, (1).
    7. European Commission JRC Knowledge Gateway: Health Promotion and Disease Prevention. Accessed: 17 October 2019.
    8. EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (2010). Scientific opinion on dietary reference values for carbohydrates and dietary fibre. EFSA Journal 8(3).
    9. Hauner H, et al. (2012). Evidence-based guideline of the German Nutrition Society: carbohydrate intake and prevention of nutrition-related diseases. Annals of Nutrition and Metabolism 60 (S1):1-58.
    10. van Dam RM & Seidell JC (2007). Carbohydrate intake and obesity. European Journal of Clinical Nutrition 61:S75-S99.
    11. Luger M, et al. (2017). Sugar-sweetened beverages and weight gain in children and adults: a systematic review from 2013 to 2015 and a comparison with previous studies. Obesity Facts 10:674-693.
    12. Hardy LL, et al. (2018). Association between adolescents’ consumption of total and different types of sugar-sweetened beverages with oral health impacts and weight status. Australian and New Zealand Journal of Public Health 42:22-28.
    13. ANSES (2016). Opinion of the French Agency for Food, Environmental and Occupational Health and Safety (ANSES) on the establishment of recommendations on sugar intake. Accessed 17 October 2019.
    14. Veronese N, et al. (2018). Dietary fiber and health outcomes: an umbrella review of systematic reviews and meta-analyses. American Journal of Clinical Nutrition 107:436-444.