Neue wissenschaftliche Erkenntnisse empfehlen die Entwicklung einer weltweiten Mikrobiom-Biobank-Infrastruktur
Zuletzt aktualisiert : 05 August 2020Ein Team von Wissenschaftler*innen unter der Leitung von Dr. Matthew Ryan vom CABI Centre for Agriculture and Bioscience International (Egham,UK), hat in einer Rezension eine Reihe von Möglichkeiten und Herausforderungen dargelegt, wie Mikrobiome, biologische Gemeinschaften aus Bakterien, Archaea, Pilzen, Algen, Protisten und Viren, für zukünftige Generationen „gelagert“ und erhalten werden können.
Die Wissenschaftler*innen sprechen sich im Journal “Trends in Microbiology” für eine Prioritätenliste aus, die aus wissenschaftlichen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Blickwinkeln festlegt, was konserviert werden soll. Sie weisen auch darauf hin, dass die momentane Biobank-Infrastruktur „fragmentiert und nicht bereit für eine Lagerung von Mikrobiomen ist“.
Dr. Ryan, Kurator der CABI Genetic Resource Collection, einer Art von Biobank, sagt: “Das Feld der Mikrobiomforschung entwickelt sich rasch weiter, aber die erforderliche Biobank-Infrastruktur ist derzeit fragmentiert und nicht auf die Lagerung von Mikrobiomen vorbereitet. Der rasante Fortschritt der Technologien erfordert dringend eine Bewertung, wie Biobanken die Forschung durch Konservierung von Mikrobiomproben und deren funktionellen Potenzials unterstützen können”.
Biobanken konservieren biologische Proben, die traditionell als Einzelorganismen oder sterile Kulturen aufbewahrt werden. Sie sind für die Forschungsgemeinschaft unerlässlich, um qualitative hochwertige Forschung zu garantieren. Zudem fungieren sie als Absicherung für Anwendungen von Forschungsergebnissen in der realen Welt, z.B. um Richtlinien für die Gesundheitspolitik anzuleiten oder zur Entwicklung von Produkten.
Die Wissenschaftler*innen, die an einer vom EU Projekt MicrobiomeSupport durchgeführten Bewertung des Bedarfs an Ressourceninfrastruktur arbeiten, argumentieren, dass die Mikrobiomforschung „einen Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Ansatz von der Konservierung mikrobenfreier Proben in Kultursammlungen (z.B. Saatgutproben) hin zur Konservierung komplexer Gemeinschaften markiert, was die Entwicklung der nötigen Infrastruktur erfordert.“
Dr. Ryan fügte hinzu: „Die Herausforderungen bei der optimalen Konservierung von Mikrobiomproben sind immens. Wissenschaftler*innen sollten sich bewusst sein, dass sie unabsichtlich und grundlegend die Funktionalität und Integrität des Mikrobioms verändern können. Mikrobiome sind dynamische Systeme, die sich als Reaktion auf äußere Umwelteinflüsse und biotische Faktoren verändern. Auf der funktionellen Ebene kann das Entfernen einer einzelnen wesentlichen mikrobiellen Komponente, aufgrund der Anwendung einer nicht optimierten Lagerungsmethode, die Integrität des Systems irreversibel beeinträchtigen.“
Co- Autorin und EU-Projektkoordinatorin Dr. Angela Sessitsch, vom AIT Austrian Institute of Technology (Tulln, Österreich) sagte, dass es zwei essenzielle Fragen gibt, die rund um die Konservierung von Mikrobiomen beantwortet werden müssen: Was sollte konserviert werden und was ist die beste Art und Weise dazu?“
Die Frage was konserviert werden soll, ist kontrovers und soll nicht nur dazu dienen, die Forschungsqualität und die Erzeugung neuer mikrobieller Produkte aus Mikrobiomquellen (welche möglicherweise auch einen kommerziellen Wert haben können) zu untermauern, sondern auch eine Konservierung in Zeiten von veränderter Landwirtschaft, medizinischer Behandlungsmethoden und des Klimawandels ermöglichen“, sagte sie. „Genauso muss sichergestellt werden, dass Produkte wie Probiotika über die Zeit stabil bleiben.“
Bei der Darstellung einer Reihe bestehender Einrichtungen zur Konservierung von Mikrobiomen - einschließlich des Microbiota Vault, das den ersten großen Schritt zu einer vergleichbaren Mikrobiom-Ressource repräsentiert - weisen die Wissenschaftler*innen darauf hin, dass von allen Techniken die Kryokonservierung der „Goldstandard“ für die mikrobielle Lagerung seit den 1960er Jahren ist.
Dr. Bettina Schelke, Co-Autorin vom European Food Information Council in Brüssel, Belgien, sagt: “Die Etablierung solider Infrastrukturen für die Mikrobiomforschung, einschließlich Biobanken, ist sowohl für Wissenschaftler*innen selbst, als auch für die Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bürger*innen in die Wissenschaft von wesentlicher Bedeutung, besonders bei einem Thema, das einen so großen Hype erfährt wie das Mikrobiom. Biobanken sind ein Weg, um zu garantieren, dass die Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit besser angewendet werden können und eine Möglichkeit für Wissenschaftler*innen ihre Arbeit unabhängig zu verifizieren, falls sich dies als notwendig erweisen sollte. Biobanken können auch für den Erhalt der Biodiversität von entscheidender Bedeutung sein; somit ist der Bedarf und die Dringlichkeit für Biobanken sicherlich gegeben."
Dr. Ryan weist abschließend darauf hin, dass die Entwicklung optimierter Methoden für den Erhalt von Mikrobiomen und für die Beurteilung des Konservierungserfolges im Hinblick auf den Erhalt der Zusammensetzung und Funktionalität der Mikrobiome der größte „technologische Engpass“ sei.
Dr. Ryan sagt: „Die klare Komplementarität zwischen Sammlungen von Kulturen und Biobanken erfordert einen Ansatz, der es beiden ermöglicht zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass das wichtige Mikrobiom-Forschungsgebiet effektiv unterstützt wird. Dies erfordert die Identifizierung von infrastrukturellen Überschneidungen, um abschätzen zu können was benötigt wird und was innerhalb der EU und darüber hinaus bereits verfügbar oder fehlend ist.“
Anmerkungen
Referenz Publikation
Ryan M.J., Schloter, M., Berg, G., Kostic, T., Kinkel, L.L., Eversole, K., Macklin, J.A., Schelkle, B., Kazou, M., Sarand, I., Singh, B.K., Fischer, D., Maguin, E., Ferrocino, I., Lima, N.,McClure, R.S., Charles, T.C., de Souza, R.S.C., Kiran, G.S., Krug, H.L, Taffner, L., Roume, H., Selvin, J., Smith, D., Rybakova, D., & Sessitsch, A., ‘Development of microbiome biobanks – Challenges and Opportunities’, 13 August 2020, Trends in Microbiology, DOI: 10.1016/j.tim.2020.06.009
Die Publikation kann frei zugänglich hier abgerufen werden: https://www.cell.com/trends/microbiology/fulltext/S0966-842X(20)30188-8
Danksagung
Diese Publikation entstand im Rahmen des EU Projektes MicrobiomeSupport, welches von der Europäischen Kommission im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 gefördert wird (Fördervertrag Nr 818116).
Foto
Teil der Kultursammlung des CABI Labors in Egham, UK (Photo: Tom Swindley, CABI)
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MicrobiomeSupport untersucht die globale Mikrobiom-Forschungslandschaft und stellt Entscheidungsträger*innen Empfehlungen und Leitlinien bereit, damit die Bioökonomie und die FOOD 2030 Initiativen der Europäischen Kommission auf internationalem Level gestärkt werden – um internationale Kooperation und Koordination für gemeinsame Mikrobiom Forschungs- und Entwicklungsagenden zu verbessern und den Wandel zu einer neuen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Realität in der EU zu unterstützen.
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